So kocht die cilentanische Hausfrau
Restaurant: Anna dei Sapori
Besuch am: 01.07.2010
Region: Campania
Wenn ein 10-jähriger, der seinen kulinarischen Horizont nur allzu gern auf Pizza mit Salami und Schnitzel mit Pommes beschränken würde, in einem Restaurant Zucchiniblüten, Spinattörtchen und Ravioli mit Ricotta probiert und bald darauf trotzdem den Wunsch äußert, doch bitte noch einmal dort zu essen, dann ist das ein gutes Restaurant. Gefunden haben wir die "Anna dei Sapori" auf Empfehlung von Milena, der guten Seele unserer Unterkunft im Cilento. Gewünscht hatte ich eine Lokalität mit regionaltypischen Speisen in familiärem Ambiente und genau dies haben wir auch gefunden: Das wunderschön restaurierte Bauernhaus mit sehr gepflegtem Garten befindet sich nur knapp 2 km von Ascea. In Empfang genommen wurden wir auf's allerherzlichste von Anna, die sich nicht nur rührend um den kleinen Mäkel kümmerte, sondern auch mit allem berechtigten Stolz die Geschäftsgrundlagen des Familienbetriebs erklärte: In den Topf kommen ausschließlich selbst angebaute Zutaten, also Gemüse aus eigenem Garten, Wein aus dem Anbau ihres Ehemanns, Kaninchen aus eigener Aufzucht...lediglich, und hier musste sie sich lächelnd entschuldigen, den Mozarella würde man nicht selber herstellen. Und wies auf die direkt auf der anderen Straßenseite gelegene Käserei...
Wir kehrten also zurück, um den hervorragenden Eindruck des ersten Besuchs nur bestätigt zu sehen. Alle bestellten Speisen wurden so serviert, dass alle am Tisch alles kosten konnten. Als Antipasto empfiehlt es sich, auf Annas Auswahl zu vertrauen. Als Alternativen kann man beispielsweise einen Teller mit Wurst- und Käsespezialitäten der Region wählen oder aber einen mehr als ausreichenden Teller mit verschiedenen Gemüsespezialitäten. Salumi, Käse und selbst das Olivenöl stammen aus eigenem 100% biologischem Anbau und enthalten selbstverständlich keinerlei Farb- oder Konservierungsstoffe. Dafür eine reiche Anzahl überraschender Geschmackserlebnisse. Zur Auswahl stehen selbstverständlich jeweils nur Produkte der jeweiligen Jahreszeit, eine Speisekarte wird nicht gereicht, dafür jedes Gericht in Zubereitung und Zutaten ausführlich erklärt. Ein Traum!
Die handgemachte Pasta wurde mit Wildschwein-Ragout (wie immer die Anna das gemacht hat, auf Wild hätte ich niemals getippt) oder mit wildem Spargel gereicht. Letzterer ist geschmacklich durchaus verschieden vom in Italien üblicherweise verwendeten grünen Spargel - deutlich kräftiger im Geschmack, mit einer ganz feinen bitteren Note, die sich aber keinesfalls unangenehm aufdrängt. Die Ravioli mit Kräuter-Ricotta-Füllung stellten ein weiteres Highlight dar, der kleine Mäkel isst sonst weder Kräuter noch Ricotta noch Ravioli. Selbstverständlich ist man nach Antipasto und Primo bereits deutlich übersättigt, aber an dieses Gefühl sollte man sich in Süditalien sowieso beizeiten gewöhnen.
Auch die Secondi probierten wir selbstverständlich alle durch. Zur Auswahl standen Baccalà, der Trockenfisch wird wahlweise paniert oder in einem Sugo aus frischen Tomaten angeboten. Das Kaninchen "al cacciatore" aus eigener Haltung wurde mit einer Achtung zubereitet, die vermutlich nur Tieren zugedacht ist, die am Morgen noch "Schnuffel" hießen. Das butterweiche, weiße Fleisch löste sich praktisch von selbst vom Knochen. Als dritte Möglichkeit wählten wir einen Teller mit verschiedenen gegrillten Gemüsen und - ebenfalls gegrillt - geräuchertem Mozzarella. Ich weiß nicht, ob dies ausschließlich am hier in der Gegend wild wachsenden Origano liegt, aber dabei habe ich meine Passion für hauchzarte gegrillte Zucchini-Streifen mit Knoblauch und Minze (!) entdeckt.
Auf Süßspeisen haben wir dann leider leider verzichten müssen, aber der Hauswein verdient eine besondere Erwähnung. Annas Ehemann betreibt einen Weinberg mit uralten "Primitivo"-Reben, aus denen er einen bemerkenswerten Roten keltert. Um die Überraschung vorwegzunehmen: Der durchaus alkoholreiche Wein ist leicht süß (und entspricht also eigentlich so gar nicht meinem Geschmack) und hat ein atemberaubendes Bouquet aus Waldfrüchten (Himbeere!) und Vanille. Von Tanninen keine Spur. Der Hauswein trinkt sich nicht nur von ganz allein weg, sondern begleitet hervorragend so verschiedene Gerichte wie die Wildschwein-Pasta oder auch das deutlich feinere Kaninchen. Eine echte Entdeckung.
Kurzum, wer jemals im Cilento ist und Lust hat auf regionltypische "Hausmannskost" im allerbesten Sinne, der sollte in jedem Fall bei der "Anna dei Sapori" vorbeischauen. Die Preise sind, wie überall in dieser Gegend, geradezu lächerlich im vergleich zur gereichten Qualität - man muss die Magenwände durchaus gehörig dehnen, um auf 20 EUR pro Kopf zu kommen. Das Ambiente aus Naturstein und Balken ist äußerst romantisch und das Personal familiär und aufmerksam - ohne dabei in Steifheit zu verfallen. Im "Anna dei Sapori" kann man auch übernachten, für entsprechende Angebote verweise ich auf die Website. Ebenso werden Spezialitäten des Cilento zum Mitnehmen verkauft.
Kai Tippmann
Kontaktdaten
Anna dei Sapori
Via Santa Venere, 1
84040 Casal Velino
Telefon: 0039-097463928
Fax:
E-Mail:
Web: www.annadeisapori.com