Autokauf in der EU
EU-Kommission verabschiedet umfassende Reform der Rahmenregeln für
Vertrieb und Kundendienst in der Automobilbranche
Brüssel, den 17. Juli 2002
Die Europäische Kommission hat heute eine umfassende, aber ausgewogene Reform der Wettbewerbsvorschriften für die Kraftfahrzeugbranche angenommen. Mit der neuen Verordnung sollen die Wettbewerbsprobleme korrigiert werden, auf welche die Kommission in 2000 in ihrem Bericht über die derzeitige Regelung hingewiesen hatte. Die Verordnung soll den Wettbewerb steigern und den europäischen Verbrauchern konkrete Vorteile beim Kauf und bei der Reparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen bieten. Sie soll neuen Vertriebsformen wie dem Internetverkauf den Weg ebnen, zu mehr Wettbewerb zwischen Händlern führen, den grenzüberschreitenden Kauf neuer Kraftfahrzeuge erheblich vereinfachen und zu einem größeren Preiswettbewerb führen. Die Verbraucher sollen besser informiert werden sowie Kraftfahrzeug- und Dienstleistungsangebote der Vertriebshändler leichter vergleichen können. Die Halter von Kraftfahrzeugen sollen einfacheren und möglicherweise preiswerteren Zugang zu Kundendienstleistungen erhalten. Gleichzeitig wird die Qualität der Kundendienstleistungen und Reparaturen in vollem Umfang erhalten bleiben. Die neue Verordnung tritt am 1. Oktober 2002 in Kraft. Für die Anpassung bestehender Händlerverträge ist eine einjährige Übergangszeit vorgesehen. Eine längere Übergangsfrist bis zum 30. September 2005 gilt für das Auslaufen von Standortklauseln.
Das für Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied Mario Monti kommentierte die Annahme wie folgt: "Die grundlegenden Wettbewerbsregeln sind für alle Branchen im wesentlichen die gleichen: spezifische Vertriebs- und Kundendienstsysteme können nur erlaubt werden, wenn ihre Vorteile die Einschränkungen des freien Wettbewerbs auf dem Markt überwiegen und die Verbraucher an dem entstehenden Gewinn angemessen beteiligt werden. Genau das soll die neue Verordnung erreichen. Mit der heute angenommenen umfassenden, aber auch ausgewogenen Reform will die Kommission den Wettbewerb auf allen Ebenen des Kfz-Vertriebs und -Kundendienstes verstärken. Die Kosten für Instandsetzung und Wartung sind ebenso hoch wie der Kaufpreis. Deswegen müssen für den Vertrieb wie auch für den Kundendienst gleichermaßen wirksame Maßnahmen ergriffen werden. Ab Oktober 2002 können die Händler - direkt oder indirekt - die Verbraucher in der gesamten EU ungehindert erreichen, so dass die Verbraucher von mehr Auswahl profitieren. Auch beim Kundendienst rechne ich mit deutlichen Verbesserungen".
Wünsche des Europäischen Parlaments weitgehend berücksichtigt
Ferner hob Monti die Rolle der während des öffentlichen Konsultationsverfahrens zu der neuen Verordnung erhaltenen Stellungnahmen und Ratschläge und insbesondere den Beitrag des Europäischen Parlaments hervor: "Wir haben 18 der insgesamt 29 Änderungsanträge des Europäischen Parlaments ganz oder teilweise in die neue Verordnung übernommen. Besonders diskutiert wurde das Verbot der sogenannten Standortklausel in den Verträgen der Hersteller mit ihren Vertriebshändlern; hier wurde eine längere Übergangsfrist gewährt als ursprünglich vorgesehen. Damit wurde meines Erachtens eine ausgewogene und praktische Lösung in einer besonders strittigen Frage gefunden, durch die auch die mit einer weiteren Hinausschiebung dieses Kernelements der Reform verbundene Rechtsunsicherheit vermieden werden konnte".
"Ferner wird die Kommission dem Wunsch des Europäischen Parlaments folgen und den Markt weiter unter Beobachtung halten", wie der Kommissar hinzufügte. "Die Kommission hat zugesagt, die Folgen der Verordnung für den Wettbewerb im Einzelhandel und im Kundendienst im Gemeinsamen Markt oder wichtigen Teilen desselben insbesondere hinsichtlich Struktur und Ausmaß etwaiger Konzentrationstrends zu überwachen".
Weshalb eine neue Verordnung erlassen?
Die neue Verordnung löst die 1985 erlassene und 1995 leicht überarbeitete Regelung (Verordnung Nr. 1475/95) ab, die am 30. September 2002 auslaufen wird. Sie wurde nach ausgedehnten Untersuchungen und Konsultationen ausgearbeitet und trägt den Ansichten der Beteiligten und den Ergebnissen mehrerer Untersuchungen unabhängiger Berater Rechnung. Auch die Ansichten des Europäischen Parlaments wurden weitgehend berücksichtigt. Sämtliche Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und der Wirtschafts- und Sozialausschuss sind sich über die Dringlichkeit einer umfassenden Reform einig.
Der eigene Evaluierungsbericht der Kommission hat gezeigt, dass verschiedene Zielvorgaben der Verordnung Nr. 1475/95 eindeutig nicht erreicht worden sind. Die Vorteile der bisherigen Regelung kommen den europäischen Verbrauchern nicht angemessen zugute, der Wettbewerb zwischen den Händlern ist nicht stark genug, und die Händler sind nach wie vor zu abhängig von den Kraftfahrzeugherstellern. Außerdem stoßen die Verbraucher in der Praxis auf Schwierigkeiten, wenn sie ihre Binnenmarktrechte geltend machen, Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten nutzen und ihr Fahrzeug dort kaufen wollen, wo es am billigsten ist.
Der Evaluierungsbericht der Kommission hat den restriktiven Charakter der Vertriebsmethoden bestätigt, die in ähnlicher Form von sämtlichen Automobilherstellern praktiziert werden und somit die gesamte Branche erfassen. Vor allem der Umstand, dass die Hersteller die Auswahl ihrer Vertriebshändler völlig kontrollieren und die Händler gleichzeitig Exklusivrechte für ihr Absatzgebiet genießen, wurde im Evaluierungsbericht als Haupthindernis für den markeninternen Wettbewerb ausgemacht.
Ließe die Kommission diese Verordnung einfach auslaufen, fiele die Kfz-Branche automatisch unter die allgemeinen Wettbewerbsregeln für Vertriebsvereinbarungen (Gruppenfreistellungs-Verordnung der Kommission Nr. 2790/99). Nach Ansicht der Kommission ist diese allgemeine Regelung für die meisten Branchen geeignet, bietet aber keine ausreichenden Garantien für die Überwindung der Probleme, die sie in ihrem Evaluierungsbericht festgestellt hat, weshalb für die Kfz-Branche eine striktere Regelung notwendig ist.
Die neue sektorenspezifische Verordnung enthält strengere Freistellungsvoraussetzungen, die für den Vertrieb von Neufahrzeugen und den Kundendienst gelten.
Die neue Verordnung wird auf den Verkauf aller Kraftfahrzeuge (Personenkraftwagen, leichten Nutzfahrzeugen, Lastkraftwagen und Omnibusse) und die entsprechenden Kundendienstleistungen anwendbar sein.
Freiheit der Wahl
Die neue Verordnung beruht auf denselben Überlegungen wie die Verordnung Nr. 2790/99, schreibt aber, anders als die derzeitige branchenspezifische Gruppenfreistellung (Verordnung Nr. 1475/95), kein bestimmtes Modell für den Fahrzeughandel vor, sondern bietet den Fahrzeugherstellern, Groß- und Einzelhändlern mehrere Möglichkeiten.
Kraftfahrzeughersteller können beispielsweise auf einen Exklusivvertrieb zurückgreifen, bei dem jeder vom Hersteller zugelassene Händler ein Verkaufsgebiet zugewiesen bekommt, aber auch an Wiederverkäufern verkaufen darf, die nicht zum offiziellen, vom Hersteller eingerichteten Netz gehören. Sie können auch für einen selektiven Vertrieb optieren, bei dem die Händler zwar auch nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden, aber kein Verkaufsgebiet zugewiesen erhalten und nicht an Wiederverkäufer verkaufen dürfen, die nicht zum offiziellen, vom Hersteller eingerichteten Netz gehören(1).
Die Kommission legt nicht fest, welche Merkmale zulässig sind oder wie das Vertriebsnetz eines Fahrzeugherstellers aussehen soll; sofern eine Vereinbarung den Grundbedingungen für die Anwendung der Verordnung entspricht, ist bis auf die Festlegung einer schwarzen Liste von "Kernbeschränkungen", d.h. schwerwiegenden wettbewerbsschädigenden Beschränkungen, alles erlaubt.
Die Verordnung ist bei der Sicherung eines effektiven Wettbewerbs viel strenger als die heutige Gruppenfreistellung, aber auch flexibler, weil sie viele Möglichkeiten eröffnet.
Mehrere Marken verkaufende Händler
Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Verbraucher es begrüßen würden, wenn sie in den Geschäftsräumen eines Vertriebshändlers mehrere Marken vergleichen und dann ihre Entscheidung treffen könnten. Das Angebot mehrerer Modelle stärkt die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Händler gegenüber ihren Lieferanten und ermöglicht ihnen auch in dünn besiedelten Gebieten einen lohnenden Geschäftsbetrieb. Nach der neuen Verordnung sollen Händler selbst entscheiden können, ob sie mehr als nur eine Marke verkaufen wollen. Hersteller können lediglich die Ausstellung ihrer Fahrzeuge in einem der eigenen Marke vorbehaltenen Teil des Ausstellungsbereichs vorschreiben. Die bisherige Regelung schrieb separate Ausstellungsräume, rechtliche Trennung und separate Geschäftsführung im Falle des Mehrmarkenvertriebs vor. Für die meisten Händler war der gleichzeitige Vertrieb mehrerer Kfz-Marken daher wirtschaftlich uninteressant.
Der Binnenmarkt muss für den europäischen Verbraucher Wirklichkeit werden
Die so genannte "Verfügbarkeitsklausel", wonach Händler die Fahrzeuge, die an Händler in anderen Mitgliedstaaten geliefert werden, auch an Verbraucher in dem betreffenden Mitgliedstaat verkaufen dürfen, bleibt in der neuen Verordnung erhalten. Diese Klausel ermöglicht den Verbrauchern grenzübergreifende Käufe und gibt beispielsweise den Verbrauchern im Vereinigten Königreich und Irland die Möglichkeit, bei kontinentaleuropäischen Händlern rechtsgesteuerte Fahrzeuge zu niedrigeren Preisen zu erwerben.
Der von der Kommission zweimal jährlich veröffentlichte Automobilpreisvergleich zwischen den Mitgliedstaaten hat immer wieder erhebliche Preisunterschiede bei Neuwagen deutlich gemacht. Eine von der Kommission vor einem Jahr veröffentlichte Studie kam zu dem Schluss, dass diese Preisunterschiede nicht allein auf steuerliche Unterschiede zurückzuführen waren(2). Die neue Verordnung enthält weitere Maßnahmen, damit Verbraucher niedrigere Preise in anderen EU-Ländern leichter nutzen können. So werden insbesondere die heutigen Beschränkungen für den Fahrzeugerwerb durch Vermittler, die im Auftrag eines Verbrauchers handeln, aufgehoben. Künftig brauchen diese nur noch eine Vollmacht vorzulegen, aus der hervorgeht, dass sie im Auftrag eines Kunden handeln.
Die neue Verordnung macht nicht nur den Autokauf im Ausland leichter, sondern sieht auch vor, dass Händler, die Fahrzeuge an Verbraucher in anderen Ländern der Europäischen Union verkaufen wollen, künftig aktiver vorgehen können.
Händler in Selektivvertriebssystemen sollen danach in Zukunft den aktiven Verkauf betreiben können - d.h. sie dürfen in anderen Gebieten werben und allgemeine Werbepost sowie persönliche E-Mails an Verbraucher in anderen Teilen der Europäischen Union richten. Die Händler dürfen dafür aber nicht bestraft werden.
Ein einem Exklusivvertriebssystem angehöriger Händler darf an unabhängige Wiederverkäufer innerhalb seines exklusiven Verkaufsgebiets sowie auch an Endverbraucher und Wiederverkäufer aller Art außerhalb dieses Gebiets verkaufen, wenn diese sich an ihn wenden. Das Recht der Händler, innerhalb ihres Gebiets "aktiv" und außerhalb "passiv" zu verkaufen, schafft die Voraussetzungen für mehr Preiswettbewerb in der gesamten EU als nach der derzeitigen Regelung, nach der jeder aktive Verkauf außerhalb des eigenen Gebiets ebenso verboten werden durfte wie Verkäufe an unabhängige Marktbeteiligte.
Außerdem sollen Händler in Selektivvertriebssystemen künftig in anderen Teilen ihres Landes oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Zweigniederlassungen oder Lieferstellen einrichten können. Die Automobilbauer dürfen nicht länger die Freiheit existierender Händler einschränken, durch Einrichtung von Zweigniederlassungen zu expandieren (Verbot der sogenannten "Standortklausel"). So könnte es beispielsweise für einen Händler in Spanien, der häufiger Fahrzeuge an Verbraucher aus Frankreich verkauft, interessant sein, eine Verkaufsniederlassung oder Lieferstätte in Marseille einzurichten. Nach der neuen Verordnung steht dem nun nichts mehr im Wege.
Das Verbot solcher Standortklauseln hat sich als unabdingbar erwiesen, da die Hersteller ansonsten bei einer Neuauflage der geltenden Regelung, die nicht zu den erwarteten Vorteilen für den europäischen Verbraucher geführt hat, weiterhin selektiven Vertrieb und Gebietsschutz miteinander hätten verbinden können. Im Evaluierungsbericht war gerade diese Verknüpfung als Haupthindernis für den Wettbewerb zwischen den Händlern und als Grund dafür ausgemacht worden, dass der Binnenmarkt noch nicht funktioniert. Außerdem würde die Anwendung solcher Standortklauseln die Entwicklung des Mehrmarkenvertriebs erheblich behindern.
Die Maßnahmen dürften dazu beitragen, dass die Verbraucher die oft enorm großen Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausnutzen.
Mehr Wettbewerb, Qualität und Auswahl beim Kundendienst
Nach der derzeitigen Regelung kann jeder Verkäufer von Neufahrzeugen verpflichtet werden, Instandsetzungsarbeiten durchzuführen.
Die neue Verordnung eröffnet dem Händler die Wahl, solche Reparaturarbeiten entweder selbst auszuführen oder damit andere Mitglieder des Vertriebsnetzes des Herstellers (Händler mit eigener Werkstatt oder reine Werkstattbetriebe) zu beauftragen. Nach der neuen Verordnung können sowohl unabhängige Werkstätten aus auch Autohändler, wenn sie die Qualitätsstandards des betreffenden Herstellers erfüllen, als Werkstätten des Vertriebsnetzes zugelassen werden, ohne jedoch zum Verkauf von Neuwagen verpflichtet zu sein. Der Automobilhersteller darf die Zahl der zugelassenen Werkstätten nicht begrenzen und das Recht einer zugelassenen Werkstatt zur Reparatur anderer Automarken nicht einschränken.
Studien haben ergeben, dass die Verbraucher ein dichtes Netz von Werkstätten befürworten. Die vorgeschlagene Neuerung dürfte die Dichte des Netzes erhalten, während das technische Know-how innerhalb des Netzes auf ein höheres Niveau angehoben wird.
Nach der Verordnung müssen Autohersteller jenen Werkstätten, die markenunabhängig bleiben wollen, Zugang zu sämtlichen technischen Informationen, Diagnose- und anderen Geräten und Werkzeugen sowie zur erforderlichen fachlichen Unterweisung in die Wartung und Instandsetzung ihrer Kraftfahrzeuge ermöglichen. Klauseln, die verhindern sollen, dass zugelassene Werkstätten Originalersatzteile oder qualitativ gleichwertige Ersatzteile an unabhängige Werkstätten liefern, sind unzulässig. Damit soll sichergestellt werden, dass unabhängige Werkstätten wirkungsvoll mit Vertragswerkstätten konkurrieren können. Der Verbraucher hat also die Wahl, wo er seinen Wagen instandsetzen lässt.
Ferner soll der Verbraucher selbst entscheiden können, mit welchen Ersatzteilen sein Wagen repariert wird. Klauseln, mit denen ein Automobilhersteller verhindern will, dass Werkstätten Ersatzteile aus anderen Quellen beziehen, oder die das Recht zugelassener Werkstätten zur Verwendung qualitativ gleichwertiger Ersatzteile einschränken sollen, sind nach der neuen Gruppenfreistellung nicht zulässig. Dies dürfte dazu führen, dass Ersatzteilhersteller vermehrt Ersatzteile direkt an die Werkstätten liefern, so dass die europäischen Verbraucher von einer größeren Auswahl und mehr Wettbewerb profitieren.
Aufgrund der direkten vertraglichen Bindung der Hersteller an kostenlose Kundendienstleistungen, Rückrufaktionen und Gewährleistungen können zugelassene Werkstätten allerdings verpflichtet werden, für diese Art von Arbeiten Originalersatzteile zu verwenden.
Alles in allem ebnen diese Änderungen, die sowohl unabhängige als auch zugelassene Werkstätten betreffen, den Weg für erheblich mehr Wettbewerb sowie sichere und qualitativ hochwertige Instandsetzungs- und Wartungsarbeit - all dies zum Vorteil des europäischen Verbrauchers.
Stärkung der kommerziellen Unabhängigkeit der Händler zum Nutzen der Käufer
Dem Bericht der Kommission ist eindeutig zu entnehmen, dass die derzeitigen auf dem Vertragsschutz beruhenden Regeln, die - insbesondere durch Mindestfristen für die Vertragskündigung - die kommerzielle Unabhängigkeit der Händler gewährleisten sollen, nicht die gewünschte Wirkung erzielen konnten.
Solange keine wirkungsvolleren Maßnahmen in Kraft sind, ist zu befürchten, dass Kfz-Hersteller den Händlern mit einer Vertragskündigung drohen, um sie daran zu hindern, das wettbewerbsgerechte Verhalten an den Tag zu legen, das durch die Verordnung gerade gefördert werden soll, beispielsweise im selben Verkaufsraum verschiedene Marken anzubieten oder an Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten bzw. deren Vertreter zu verkaufen. Um die Hersteller und Einführer daran zu hindern, die neue Regelung auf diese Weise zum Nachteil der Verbraucher und der kommerziellen Unabhängigkeit der Händler zu unterlaufen, enthält die Verordnung eine Bestimmung, derzufolge Kfz-Hersteller, die einen Händlervertrag beenden möchten, dies schriftlich begründen müssen, damit ein Gericht oder Schiedsgericht darüber befinden kann, ob die Vertragskündigung gültig ist. Zudem ist für befristete Verträge eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren vorgeschrieben, damit Hersteller nicht mittels kurzer Vertragslaufzeiten Druck auf die Händler ausüben und sie an einem wettbewerbsfördernden Verhalten hindern können.
Ferner können Vertriebshändler einer bestimmten Marke nach der neuen Verordnung andere Vertriebshändler der gleichen Marke in der gesamten EU übernehmen und verkaufen. Auf diese Weise können sich Händler mit größerer Verhandlungsmacht gegenüber dem Hersteller heranbilden, und die Gründung grenzüberschreitender Händler wird erleichtert.
Inkrafttreten
Die neue Verordnung soll am 1. Oktober 2002 in Kraft treten. Es ist eine einjährige Übergangszeit vorgesehen, in der alle bestehenden Händlerverträge den neuen Vorschriften angepasst werden müssen. Eine besondere, längere Übergangsfrist bis zum 30. September 2005 gilt für Standortklauseln, mit anderen Worten für die Freiheit der Händler, Niederlassungen zu errichten.
Die in der Verordnung vorgesehene Gruppenfreistellung wird am 31. Mai 2010 auslaufen. Dieses Datum ist zugleich der Zeitpunkt, zu dem die allgemeine Gruppenfreistellung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, die Verordnung 2790/99, außer Kraft tritt.
Zum Inkrafttreten der neuen Verordnung wird die Kommission eine Broschüre veröffentlichen, in der die Rechte und Pflichten der Verbraucher und sämtlicher am Kfz-Handel, Kundendienst und Ersatzteilhandel Beteiligten erläutert werden(3). Diese Broschüre gibt auch Aufschluss über die Definition der relevanten Märkte in der Kfz-Industrie.
Durchsetzung der neuen Vorschriften
Die Kommission wird die Entwicklungen in der Automobilindustrie auch weiterhin beobachten und sich aktiv dafür einsetzen, dass die Hersteller die neuen Regeln im Vertrieb und im Kundendienst in angemessener Weise umsetzen, damit die Verbraucher wirklich in den Genuss der erwarteten Vorteile gelangen.
(1) Nicht zulässig ist eine Verknüpfung der beiden Systeme, also Ausschließlichkeit (exklusives Verkaufsgebiet) und Selektivität (Verbot des Verkaufs an unabhängige Wiederverkäufer) gegenüber einem Vertriebshändler. Die Automobilhersteller können jedoch je nach Bedarf auf einigen EU-Märkten exklusive und auf anderen Märkten selektive Vertriebssysteme praktizieren.
(2) Die Studie und weitere Informationen über die entsprechenden Untersuchungen finden sich auf der Website der Kommission.
(3) Eine solche erläuternde Broschüre wurde auch schon für die bestehende Gruppenfreistellung (Verordnung Nr. 1475/95 der Kommission) herausgegeben. Sie kann über Internet abgerufen werden.