Literaturtipps & Rezensionen
Rudolf Trefzer: I Sapori del Piemonte. Rezepte, Geschichte und Geschichten.Zwar mittlerweile entdeckt, aber immer noch abseits der üblichen touristischen Massenvergnügungen hat sich das Piemont - das "Land am Fuße der Berge" (pedemontium) - mittlerweile über den Status eines Geheimtipps unter Genießern hinaus entwickelt. Die Schnittmenge mediterraner und französischer Kultureinflüsse im Südpiemont und der etwas bodenständigeren Küche der Alpentäler hat weit mehr an kulinarischen Feinheiten hervorgebracht als die mittlerweile kultisch verehrten Embleme piemontesischer Kochkunst, Barolo und weiße Trüffel.
Rudolf Trefzers Büchlein nähert sich kenntnisreich und mit viel Liebe zum Detail dem Gegenstand. Sympathisch und ganz offen subjektiv werden Trefzers Lieblingsrestaurants vorgestellt und traditionelle Rezepte zum Nachkochen emfohlen. Der kleinformatige Band kommt ohne überladene Fotografie aus und läßt einem gleichwohl kapitelweise das Wasser im Mund zusammenströmen. Mikroportionierte Spielereien hochgestochener Konzeptkochkunst haben hier keinen Platz, hingegen eine feine Auslese authentischer Speisen der oft aus der Armut geborenen traditionellen Küche der Piemonter Landbevölkerung.
Die wenigen schwarz-weißen Fotografien zeigen überhaupt keine Speisen, sondern die vorgestellten Küchenkünstlerinnen (ja, hier kocht La Mamma traditionell meist selbst), Weintrauben, Märkte oder Reisfelder. Den sinnlichen Genuß vermittelt der immer emotionale Text.
Die hier behandelte Regionalküche stellt eine besonders klare Ausdrucksform dessen dar, was Liebhaber an der italienischen Kochkunst schätzen: ein differenzierter Variantenreichtum vergleichsweise einfach aufgebauter Gerichte, die vom lebendigen Ausdruck ihrer wenigen Zutaten leben können. Der göttliche "Salat aus rohen Steinpilzen" lebt natürlich von der ausgemachten Frische und Qualität der piemonteser Porcini und dem unvermeidlichen Olivenöl. Das vorgestellte Vitello Tonnato "alla maniera rustica antica" hebt sich wohltuend vom im Mayonnaisepamps ertränkten Kalbfleisch ab, das man zu oft in Deutschland serviert bekommt - wenn man es überhaupt serviert bekommt.
Das im einschlägig vorbelasteten AT-Verlag Aarau erschienene Hardcover-Bändchen sei jedem ans Herz gelegt, der vielleicht im Urlaub Geschmack gefunden hat an "Spaghetti mit Butter und Salbei", der weiß, dass "Zabaglione" piemontesischen Ursprungs (lecker: mit Moscato) ist oder jedem, der einfach gern gut ißt. Es macht seinem Untertitel alle Ehre und ist aufgebaut wie ein traditionelles piemontesisches Festmahl, also von "L'aperitivo" bis "Grappa". Ebensowenig wie der speisentechnisch etwas verhärmte Bewohner der Gebiete nördlich der Alpen aber ein solches Essen in allen Gängen auch nur ansatzweise durchexerzieren könnte (die "Gnocchi mit Gorgonzolasauce" stellen allein schon ein unüberwindbares Hindernis dar), kann man die vorliegende Reise in einem Stück durchlesen, ohne zwischendurch die Küche zu besuchen.
Ein gegliedertes Literaturverzeichnis sowie die Kontakt- und Anfahrtsdaten der vorgestellten Lieblingsrestaurants vervollständigen dieses schöne Buch. Ein echter Geheimtip, geschrieben mit viel Liebe für Land und Leute!
Kai Tippmann