Literaturtipps & Rezensionen
Susanne Wess, Elisabeth Renner-Eder, Susanne Renne: Gast-Häuser und historische Hotels in SüdtirolIm Gegensatz zum Band "Historische Gast-Häuser und Hotels - Italien" kommt die regionale Ausrichtung des vorliegenden Büchleins dem Nutzwert deutlich positiv zugute. Zimmerpreise und Öffnungszeiten sind auf dem Stand Herbst 2005, vorgestellt werden 51 historische Häuser, unterteilt in 5 Regionen und auffindbar zudem über ein alphabetisches Ortsverzeichnis. Die Grundidee des Reiseführers, der sich an Menschen richtet, für die passende Architektur und Einrichtung genauso wichtig sind wie das kulinarische Angebot, sehr nachvollziehbar - zumindest für mich steht und fällt ein gelungener Restaurantbesuch eben auch mit der Architektur und Einrichtung. Und ich glaube, wir Deutschen fahren wohl alle nicht nach Italien, um den Urlaub dort in einem Neubauhotel zu verbringen und in einem postmodernen Glaspalast zu speisen. Insofern ist ein Reiseführer, der sich dezidiert auf historische Gemäuer spezialisiert, bei mir erstmal sehr willkommen.
Das hochformatige Büchlein stellt jedes Haus auf einer schmalen Doppelseite vor, wobei das obere Drittel zwei Fotos vorbehalten ist (typischerweise eins innen, eins außen), die linke Seite den Kontaktinformationen und Angaben zu Ruhetag, Zimmerzahl, Restaurantplätzen etc., die rechten zwei Drittel dienen dann der Beschreibung. Da die Hälfte des ohnehin schon kurzen Beschreibungstextes einem kurzen historischen Abriß zu Geschichte, Renovierung und Besitzerwechseln vorbehalten ist, bleibt eigentlich nur ein Absatz für das eigentliche Objekt übrig. Hier wird dann auf die Besonderheiten des jeweiligen Gasthauses für den Urlauber eingegangen, aber naturgemäß nur in Form einer kurzen Erwähnung. Ein Veranstaltungskalender und jeweils ein paar Seiten Adressen von Bauernhöfen, Käsereien, Brennereien und Weinbauern runden das Buch ab.
"Zur Nachtruhe begibt man sich schließlich wohlgesättigt in eines der 15 Zimmer, die mit rustikalem Holzmobiliar und Teppichböden ausgestattet sind.(...) Die Bäder sind im nostalgischen Stil der 80-er Jahre gehalten, manche verfügen über eine Wanne, in der es sich nach dem Wandern wunderbar bei einem Kräuterbad entspannen lässt. " (S. 49)
"Rustikales Holzmobiliar" wird uns, wer hätte das gedacht, in diesem Südtirol-Reiseführer noch häufiger begegnen, auch Wannen gibt es nicht nur im "Charme Hotel Uridl". Ich persönlich würde ja lieber auf der Rückbank meines Toyota schlafen anstatt in etwas einzukehren, das "Charme Hotel" heisst und dessen Badezimmer "im nostalgischen 80-er Jahre Stil" gehalten sind. Wenn ich aber würde, erwartete ich rustikales Holzmobiliar und eine Wanne. Und um ehrlich zu sein, erwarte ich rustikales Holzmobiliar in allen 51 Häusern eines Buches, das sich "historische Gasthäuser und Hotels in Südtirol" nennt. Passend zum Titel stolpert man allenthalben durch "liebevoll gestaltete" Unterkünfte, "freundlich eingerichtete" Restaurants mit "geschmackvollem Mobiliar".
"Kinder (...) können gefahrlos über die Wiesen tollen, da kein vorbeibrausendes Auto die Eltern aus der Ruhe bringt. Die gemütlichen Zimmer sind mit alten Bauernmöbeln ausgestattet und haben größtenteils Dusche und WC." (S. 51)
Na dann ist ja alles in Butter, die Kinderlein können "über die Wiesen tollen" keine Autos "brausen vorbei" und die Zimmer sind mit "alten Bauernmöbeln" ausgestattet. Vermutlich wacht nachts Krambambuli vor der Zimmertür. Aber immer noch spannender als das auf S. 98f. vorgestellte "Romantikhotel Oberwirt", wo
"die weitläufige 'Wellnessresidenz Amadea' viel mehr (bietet), als der stressgeplagte Kurzurlauber auf einmal nutzen könnte. (...) als Vorspeise ein Risotto mit mediterranem Gemüse und sautierten Garnelen, danach gebratene Seezunge in Zitronen-Kapernbutter."
Und genau hier erwarte ich von einem Reiseführer, der es sich zur Aufgabe macht, "historische Gast-Häuser und Hotels" vorzustellen, dass er mich vor solchen "Romantikhotels" warnt, wo mein stressgeplagtes Ich zudem noch mit allerlei Wellness-Kokolores behelligt wird und wo ich statt anständigem traditionellem Bergkäse, handgefertigten Salami und rauchiger Polenta zu allem Überfluss noch mit mediterraner Fischküche versorgt werde. Geschmacks-resistente Urlaubsgäste, welchen diese Art von Urlaub als typisch und urtümlich vorschwebt, brauchen keinen Reiseführer - einfach auf dem Marktplatz einer beliebigen südtiroler Kleinstadt anhalten und das Hotel mit der größten Werbung aufsuchen. Auch ein Restaurant "Zur Rose", das auf S. 89 für sein "Risotto aus Minze und Seeteufel" und den "Thunfisch in Olivenkruste" gepriesen wird, halte ich eher für ein emblematisches Produkt stromlinienförmiger kulinarischer Beliebigkeit für Leser des Zeit-Feuilletons als ein Paradebeispiel traditioneller Einkehrstätten im alpinen (!) Südtirol.
Insgesamt ist es schön, zumindest einige stilvolle historische Gaststätten und Unterkünfte in einer Urlaubsregion vorgestellt zu bekommen, im Laufe eines zwei- oder dreiwöchigen Aufenthalts im dann doch touristisch streckenweise erheblich kontaminierten Südtirol kann so etwas durchaus den Urlaub retten.
Aus derselben Reihe sind ebenfalls erschienen "Historische Gast-Häuser und Hotels - Italien" sowie "Historische Gast-Häuser und Hotels - Toskana".