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Literaturtipps & Rezensionen

Maurizio Buscarino: Freigang eines Photographen

Maurizio Buscarino ist einer der bedeutendsten Theaterfotografen derzeit und bewegt sich hier einmal auf ungewohntem Terrain, zumindest auf den ersten Blick. Denn natürlich bleibt er dem Theater treu, er geht auch nicht wirklich, sondern reist mit dem Auto und schießt unterwegs eine Reihe gewohnt eindrucksvoller Bilder. Ansonsten legt er aber eine durchaus extravagante Reisebeschreibung vor, die nicht wirklich ein Reisetagebuch ist oder auch nur ein Road-Movie. Als echte Reiseliteratur ist das etwa 200-seitige Taschenbüchlein wohl nur unzutreffend beschrieben. Beginnend nördlich von Mailand führt die Tour bis hinunter nach Foggia, wobei die ein wenig sprunghafte Aneinanderreihung der einzelnen Etappen und Auftrittsorte geografisch nicht wirklich nachvollziehbar sind. Roter Faden sind die von Buscarini besuchten - und bebilderten - Theateraufführungen, entlang derer sich die Reise im Jahr 2000 ent-wickelt.

Allerdings überzeugt mich das Buch durch seine Kohärenz. Vielleicht sollte man es bei einem Fotografen erwarten, aber die Abfolge der einzelnen Auftrittsorte, Begegnungen und Aufführungen hat eine assoziative, bildhafte Qualität. Anstelle einer chronologischen Reisebeschreibung erwarten den Leser Gedankenbilder, Reflexionen, Dialoge und aphoristische Betrachtungen - genau beobachtete Momentaufnahmen, die sehr klar machen, dass hier jemand am Werk ist, der die Beobachtung gewohnt ist. Die präzisen Bilder seiner Beobachtungen erscheinen aufgeladen durch einen metaphorischen Gehalt. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Dabei spielt der Text zwischen den Texten der Stücke, den Aufführenden, beiläufigen Begegnungen und ganz generellen Beobachtungen entlang des Weges. Dem Gelegenheitsreisenden erzählt dies alles genauso wenig über Italien wie dem Gelegenheitstheaterbesucher über das Theater. Dem echten Italophilen und erfahrenen Reisenden erschließt sich aber eine ganze Welt - genau wie dem determinierten Theaterbesucher natürlich.

Mir hat das Büchlein durchaus Freude bereitet, was nicht heissen soll, dass es leicht zu lesen ist. Vermutlich kann ein mehr theater-affiner Leser sogar einen deutlich größeren Genuss aus der Lektüre ziehen, ich begnüge mich schon mit Buscarinos präziser Beobachtungsgabe und seiner Liebe zum Detail. Denn selbstverständlich kann ein Bild als Metapher gelesen mehr Informationen transportieren als die detaillierteste Ortsangabe. Auf jeden Fall wendet sich der Autor an den hochkulturell interessierten Italienreisenden, dem sich die theaterkritischen, philosophischen und kulturellen Reflexionen auch erschließen. Die hervorragende Übersetzung bemüht sich durchaus erfolgreich, den Sprachrhythmus und die inhärente Melancholie des Textes zu bewahren; die Fotos sind selbstverständlich phantastisch - aber das war auch nicht anders zu erwarten.

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